Wiederkehr: „Noten sind wichtig für die Vergleichbarkeit“
Von Magdalena Schwarz und Daniela Pirchmoser, 18. August 2025, aus Die Furche
Kann Leistung motivieren, ohne Angst zu machen? In einem Kurzinterview erklärt Bildungsminister Christoph Wiederkehr (Neos), wie er Perfektionismus in Schulen begegnen will, warum Handyverbote nur ein Teil der Lösung sind – und was er selbst aus Niederlagen lernt.
Knapp die Hälfte der Schülerinnen und Schüler hierzulande streben es an, perfekt zu sein. Das zeigt eine neue Umfrage der Initiative „Mental Health Days“, die vergangene Woche bei einer Pressekonferenz präsentiert wurde. Die Initiative von Golli Marboe bietet an Schulen österreichweit Workshops rund um psychische Gesundheit an.
Die Umfrage zeigt, dass vor allem der schulische Druck viele Kinder und Jugendliche belastet. Auch die digitalen Medien tragen zu dem Perfektionsdrang bei.
Um junge Menschen in einer gesunden Identitätsentwicklung zu unterstützen, sollen psychosoziale Angebote an Schulen ausgebaut werden. Laut Regierungsprogramm soll es unter anderem mehr sozialarbeiterische sowie schulpsychologische Ressourcen geben.
Aktuell betreut eine Schulpsychologin bzw. ein Schulpsychologe in Österreich etwa 6000 Kinder. Auf Nachfrage erklärte Bildungsminister Christoph Wiederkehr (Neos), dass im heurigen und kommenden Schuljahr jeweils 70 Schulpsychologinnen und -psychologen neu eingestellt werden sollen.
Außerdem möchte das Ministerium die Zusammenarbeit mit den „Mental Health Days“ verstärken.
DIE FURCHE sprach anschließend an die Pressekonferenz mit Wiederkehr über den Erfolgszwang, die Rolle von Ziffernnoten und einen sinnvollen Umgang mit neuen Technologien an Schulen.
FURCHE: Was ist für Sie „Leistung“?
Christoph Wiederkehr: Für mich ist Leistung das Erbringen von einem Erfolg oder auch das Erbringen einer Tätigkeit, an deren Ende ein Ergebnis dasteht. Leistung ist für mich prinzipiell positiv belegt. Sie kann aber zum Negativen werden, wenn durch Leistungsdruck Angst entsteht.
FURCHE: Fast die Hälfte der Schüler strebt nach Perfektion. Wo sehen Sie dafür die Hauptursachen?
Wiederkehr: Ich finde es so schön, dass wir als Menschen nicht perfekt sind. Perfektion ist langweilig und sollte nicht angestrebt werden. Darum ist es wichtig, dass jeder Mensch seine individuellen Fähigkeiten lernt und diese auch gefördert werden. Dazu kann das Bildungssystem einen wichtigen Beitrag leisten, nämlich durch individuelle Förderung und mehr Mitbestimmung der Schülerinnen und Schüler, die eigenen Fähigkeiten zu entdecken.
FURCHE: Wir wissen, dass soziale Medien den Perfektionismus und den Vergleichsdruck bei Jugendlichen verstärkt. Das Handyverbot, das Sie eingeführt haben, soll unter anderem die psychische Gesundheit verbessern. Funktioniert das?
Wiederkehr: Das Handyverbot wird allgemein sehr positiv bewertet, und zwar nicht nur von Lehrkräften, sondern auch von Eltern und Schülerinnen und Schülern. Denn dadurch bekommen sie einen Raum, in dem sie mal handyfrei sein können. Das Handy schränkt massiv die Konzentrationsfähigkeit ein und erhöht auch den gesellschaftlichen Druck, zum Beispiel durch Mobbing oder die ständige Vergleichbarkeit, die in den sozialen Medien passiert. Einen Raum frei von alldem zu schaffen, ist wichtig.
Gleichzeitig müssen wir auch Fortschritt in der Medienpädagogik machen. Darum gibt es in den Schulen auch ein eigenes Pflichtfach, digitale Grundkompetenz.
FURCHE: Jedes Jahr wird die Notenskala von 1 bis 5 diskutiert. Nicht nur Schüler, sondern auch viele Lehrkräfte tun sich schwer damit. Was ist Ihr Standpunkt?
Wiederkehr: Neben Noten kann man auch mündlich oder schriftlich Feedback geben, was oft hilfreicher ist, weil es individuell Stärken aufzeigt. Da ist eine Note allein oft zu wenig. Aber es ist auch notwendig, dass eine gewisse Vergleichbarkeit herrscht, zum Beispiel bei der Zentralmatura. Nur damit kann beurteilt werden, ob an einer Schule gute Bildung stattfindet.
FURCHE: Was war Ihr letzter Misserfolg und was tun Sie, um mit solchen Situationen umzugehen?
Wiederkehr: Mein letzter Misserfolg war vorgestern beim Tennisspielen. In dem Moment, als ich verloren habe, habe ich mich geärgert. Aber man muss sich selbst sagen: Eine Niederlage ist die Ausgangslage für Verbesserung - wenn man sie positiv sieht. Man kann sich fragen, was haben wir schlecht gemacht und wie kann man besser werden. Das heißt: Nicht über die Vergangenheit ärgern, sondern in die Zukunft schauen.
Diesen Artikel lesen Sie in der Printausgabe der FURCHE vom 21. August 2025.
Von Magdalena Schwarz und Daniela Pirchmoser, 18. August 2025, aus Die Furche